Immer wieder wird berichtet, dass Klagen gegen Automobil-Hersteller im Rahmen es sogenannten „Abgasskandals“ Erfolg haben. Käufer konnten bereits das mit der beanstandeten Software versehene Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis erstattet bekommen.
Trotz möglichen Verjährungseintritts kann es sich lohnen, Rechte aus dem Kauf eines entsprechenden Fahrzeugs geltend zu machen
Mit Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19 hat der BGH eine Haftung des Herstellers wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 31 BGB) bejaht. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass zumindest ein vormaliges Mitglied des Vorstandes des Herstellers Kenntnis von den Vorgängen bei dem Einsatz der beanstandeten Software hatte, ist es Sache des Herstellers, darzulegen und zu beweisen, dass eine solche Kenntnis nicht vorgelegen habe.
Ansprüche aus vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung unterliegen der Regelverjährung. Diese beträgt nach § 195 BGB drei Jahre und beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem er Anspruch entstanden ist und der Anspruchsinhaber vom Anspruch Kenntnis hat oder Kenntnis hätte haben müssen.
BGH äußert sich zur Regelverjährung
Es war umstritten, wann die Regelverjährung eintritt. Mit Urteil vom 17.12.2020, Az. IV ZR 739/20 hat der BGH entschieden, dass Ansprüche des Klägers mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt waren.
Bemerkenswert ist an diesem Urteil aber, dass der Vortrag des Automobilherstellers, der Kläger habe bereits mit Bekanntwerden des „Abgasskandels“ im Jahr 2015 Kenntnis von allen Umständen gehabt, die für seinen Anspruch relevant waren, nicht vom Kläger bestritten worden war und daher als wahr zu behandeln war.
Dennoch gibt das Urteil Aufschluss darüber, dass für den Verjährungsbeginn maßgeblich ist, wann der Käufer davon Kenntnis erlangt hat bzw. sich dem Käufer hätte aufdrängen müssen, dass sein Fahrzeug zu den betroffenen gehört.
Beitritt zur Musterfeststellungsklage hemmte die Verjährung
Ist der Käufer des PKW seinerzeit wirksam zur Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig beigetreten, hat dies die Verjährung gehemmt, wenn zum Zeitpunkt des Beitritts die Verjährung noch nicht eingetreten war.
Bei wirksamer Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wirkt diese auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage zurück, § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB. Der Zeitraum, während dessen das hemmende Ereignis stattfindet, wird bei der Berechnung der Verjährung nicht mitgerechnet, § 209 BGB. Die Hemmung endet obendrein frühestens sechs Monate nach Beendigung des eingeleiteten Verfahrens, § 204 Abs. 2 S. 1 BGB. Da die Musterfeststellungsklage am 04.05.2020 zurückgenommen wurde, läuft die Verjährung seit dem 04.11.2020 weiter.
Unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zum Beginn der Verjährung und der Hemmung bis zum Anfang November 2020 aufgrund des Beitritts zur Musterfeststellungsklage kann also durchaus eine Berechnung ergeben, dass die Ansprüche noch nicht verjährt sind
Ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs geltend gemacht werden kann, wenn die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage zurückgenommen wird, kann bezweifelt werden. Die Anmeldung und spätere Rücknahme ist vom Gesetz ausdrücklich so vorgesehen und entspricht auch Sinn und Zweck des Gesetzes (so das Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 02.02.2021, Az. 12 O 814/20).
Anderweitige Ansprüche können bestehen
Auch wenn sich herausstellt, dass die Verjährung eingetreten ist, kann sich eine weitere lohnen. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 02.03.2021, Az. 12 U 161/20, einen Anspruch des Käufers aus § 852 BGB bejaht. Der Anspruch aus dieser Vorschrift verjährt erst zehn Jahre nach seiner Entstehung.
Zwar betraf der vom OLG Oldenburg entschiedene Fall den Direktkauf vom Hersteller. Allerdings hat erst kürzlich das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 09.03.2021, Az. 9 O 7845/20) entschieden, dass auch beim Kauf des Fahrzeugs von einem Händler ein Anspruch aus § 852 BGB gegen den Hersteller des PKW bestehen kann.
§ 852 BGB bestimmt letztlich, dass dasjenige herauszugeben ist, was aus einer deliktischen Handlung (vorliegend also der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung) erlangt wurde, herauszugeben ist. Im Ergebnis ist nach Ansicht des LG Nürnberg-Fürth der Kaufpreis abzüglich einer Händlermarge dem Käufer gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
Wie die Erfolgsaussichten einer Klage auch Jahre nach dem „Abgasskandal“ zu beurteilen sind, hängt letztlich von unterschiedlichen Faktoren ab, die sich von Fall zu Fall unterscheiden können. Vor allem angesichts der nunmehr auch vom Landgericht Nürnberg-Fürth vertretenen Rechtsauffassung ist das letzte Wort in der „Dieselaffäre“ noch nicht gesprochen.